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Bindungstrauma und Spiritualität


Die Erfahrung, in Verbindung mit sich selbst und anderen Menschen zu sein, stillt die Sehnsucht nach Kontakt, Lebendigkeit und Geborgenheit. Doch leider ist uns oft gar nicht bewusst, welche inneren Barrieren das ersehnte Maß an Kontakt und Lebendigkeit verhindern.

 

BINDUNGS- UND ENTWICKLUNGSTRAUMA 

Infolge früher Traumen haben sich viele Menschen von ihren Gefühlen - auf der Körperebene und damit auch auf der Beziehungsebene zu sich selbst und zu anderen, abgeschnitten. Als Kind entwickelten sie Überlebensstrategien, die mit Schmerzvermeidung (d.h. das Unaushaltbare nicht mehr Fühlen zu müssen) und dem Bedürfnis nach Kontakt und gleichzeitig der Angst vor Kontakt, zu tun haben. 

 

Menschen, die diese frühe Überlebensstruktur in sich tragen, haben in der Regel zwei Arten damit umzugehen. Entweder flüchten sie in den Kopf oder in die Spiritualität.

 

1. Der verstandesbetonte Typ: 
Für ihn zählen Denken und Logik mehr als Gefühle und Emotionen. Auf diese Weise kann er eine emotionale Distanz zu anderen Menschen aufrechterhalten. Wenn ihm sein Kindheitstrauma bewusst wird, versucht er es meist nur auf der Kopf- und Verstandesebene zu lösen, was aber nicht geht, da der Schmerz seines inneren Kindes darüber nicht zu erreichen ist. 

 

2. Der spiritualisierende Typ: 
Er bewältigt den fehlenden Kontakt zu seinem Körper und zu anderen Menschen, indem er mehr nach Verbundenheitserlebnissen in der Natur oder mit Tieren sucht. Die Frage nach dem Sinn des Schmerzes macht diese Menschen oft zu spirituell Suchenden. Oft sind sie außerordentlich sensibel - im Positiven wie im Negativen. Sie neigen dazu, im energetischen Feld zu leben und können dadurch auch ziemlich gute übersinnliche Fähigkeiten entwickelt haben. Meist besitzen sie eine sehr gute Beobachtungsgabe und ein feines Gespür dafür, was in ihrer Umgebung und in anderen Menschen vor sich geht. Dabei kann es jedoch vorkommen, dass die Gefühle anderer Menschen ungefiltert in sie eindringen und sie sich dadurch bedroht fühlen. Typisch ist dann die Neigung zum Rückzug oder Kontaktabbruch. Dadurch verstärkt sich allerdings der Kindheitsschmerz, der viel mit allein sein und dem Gefühl isoliert zu sein, zu tun hat.

 

Selbst wenn der spirituelle Mensch erwacht ist, heißt das noch lange nicht, dass seine Trauma-Prägung verschwunden ist.

EIN LÖSUNGSANSATZ

Menschlicher Kontakt ist die Wachstumsherausforderung für diese frühe Trauma-Überlebensstruktur. Auf lange Sicht ist es wichtig, einen Zugang zum eigenen Spürbewusstsein zu entwickeln. 

 

Ressourcen aufbauen ...

Doch zuvor sollten genügend Ressourcen aufgebaut sein, damit man nicht von der verzweifelten Not aus seinem Innern in Beschlag genommen wird. Wenn man danach in Kontakt mit seinem Kindheitsschmerz kommt, hat man die Fähigkeit sich selbst zu beruhigen und die damit verbundene Erfahrung von Sicherheit verstärkt wiederum die Selbstregulation und Organisation im Nervensystem. Bewegung, Kunst und Spiritualität können dabei eine wunderbare Ressource sein. Doch sie sind Ressourcen und ersetzten nicht die Lösung bei einem frühen Bindungs- und Entwicklungstrauma. Die Lösung muss auf der Ebene gesucht werden, wo sich das Leiden befindet: auf der Köperebene, auf der Beziehungsebene und im autonomen Nervensystem.

 

Mögliche Fallstricke auf dem Heilungsweg ...

Wenn die Heilung auf diesen Ebenen durch bestimmte Methoden im spirituellen oder therapeutischen Bereich umgangen wird, endet das oft  im Desaster. Im spirituellen Bereich spricht man dann von "Spiritual Bypassing" - es kommt zu Vermischungen, zu Verwirrungen, wenn z.B. Dissozation mit Meditation verwechselt wird, etc.